Atari startet Kryptowährung

Atari reiht sich in die wachsende Schar alter Marken ein, die sich durch Kryptowährungen zu verjüngen versuchen

Angehörige der Generation X, die alt genug sind, erinnern sich an Zeiten, in denen Fotos noch analog waren und Videospielkonsolen 16 Bit hatten. Bei ihnen rufen Marken wie Kodak und Atari eine unbestimmte Nostalgie hervor. Aber: Nichts, was perfekt ist, hat ewig Bestand und diese Firmen, die einst ihre jeweilige Sparte dominierten, sind nicht gut gealtert. Vielen haben schon angenommen, diese Getreuen der 80er hätten bereits aufgrund wachsender finanzieller Probleme ihren Geist aufgegeben. In Wahrheit aber schleppen sich die Kodaks und Ataris der Welt nicht nur vorwärts, sondern suchen sogar über ICOs eine Verjüngung und frisches Kapital.

 

Der Abstieg Kodaks vom Fotoriesen zu einer Pleitefirma auf der verzweifelten Suche nach einer Nische, ist eine traurige Geschichte. Ganz besonders dann, wenn man alt genug ist, um den Markennamen mit besseren Zeiten in Verbindung zu bringen. In der vordigitalen Ära waren Firmen wie Kodak und Atari Säulen der Popkultur. Aber die Zeiten ändern sich und Firmen, die nicht innovativ genug sind, bleiben auf der Strecke. Kodaks plötzliche Wandlung zum Cryptominer und ICO-Emittenten ist bereits heftig kritisiert worden. Atari ist glimpflicher davongekommen, zeigt aber viele derselben Anzeichen.

 

Im Jahre 2013 reichte Atari Insolvenz ein, zufällig in demselben Jahr, in dem auch Kodak dies tat. Fünf Jahre später stürzt sich Atari nun in das Blockchaingeschäft. Der Ablauf ist immer derselbe: Eine Firma nutzt ihren ehemaligen guten Ruf und kündigt einen ICO an. Der Aktienkurs steigt daraufhin um mehr als 50 %. Dann hält die Realität Einzug. Der Aktienkurs fällt. Die Firma, die einst für Spieleklassiker wie Space Invaders, Pac-Man und Asteroids stand, versucht nun, sich über seine Atari-Tokens einen Ruf als Kryptowährungspionier zu erwerben.

 

Marken müssen mit der Zeit gehen. Die Alternative ist der Untergang. Es wäre daher unrealistisch, von Atari zu erwarten, sein Kerngeschäft auf Retrokonsolen aufzubauen. Ebenso realitätsfern wäre es, anzunehmen, dass Kodak Profite mit dem Verkauf von Fotofilmen erzielen könnte. Der Übergang dieser Marken zu dem Geschäft mit Kryptowährungen ist an sich kein Grund zur Besorgnis oder ein Anlass für Spott. Es ist eher die Art, wie diese Firmen den sich bietenden Rettungsast ergriffen haben, die Anlass zur Skepsis gibt.

 

Die Anlageforschungsfirma Kerrisdale Capital übte vernichtende Kritik an dem von Kodak angebotenen ICO, nannte ihn „wertlos“ und sah darin den letzten Versuch eines „sterbenden Überbleibsels der amerikanischen Produktionswirtschaft“. Über die von Atari geplante Kryptowährung ist wenig bekannt. Man weiß nur, dass der CEO von Atari, Frederic Chesnais, so zitiert worden ist: „Die Blockchaintechnologie wird einen sehr wichtigen Platz in unserem Umfeld einnehmen. Sie wird das derzeitige wirtschaftliche Ökosystem verändern, wenn nicht gar revolutionieren, insbesondere im Bereich der Videospielindustrie und der Onlinetransaktionen“.

 

Bis mehr Informationen vorliegen, muss man Atari einen Vertrauensbonus einräumen. Trotzdem ist es nicht leicht, sich von dem Gedanken frei zu machen, dass es diesen Firmen weniger um das Veränderungspotential der Blockchain geht, als darum, ihre Bilanzen aufzubessern. Hüten Sie sich vor verblassten Marken, die auf Ihre Kryptos aus sind und Ihnen obendrein Ihre Kindheitserinnerungen verderben.

Bitte bewerten Sie diesen Artikel
[Gesamt: 0 Durchschnitt: 0]

Kommentar schreiben

Deine Email Adresse wird nicht veröffentlicht.

10 + eight =